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Urban Hiking, die trendige Wandervariante? 

Hat "urbanes Wandern" den "Spaziergang" abgelöst oder entsteht hier gerade eine neue Trendsportart?

Wandern boomt, ist hip und liegt voll im Trend! Die Feeds and Streams der sozialen Medien überrollen den User und erreichen ungeahnte Weiten. 

Schnell wird klar: hier muss was los lein. Also, rein in den Wald. Rucksack gepackt, Wanderstiefel an, steh auf, geh´raus, lauf los...Die bekannten und schon immer beliebten Wanderregionen der Nation füllen sich, leider auch mit den Folgen des Mainstreamtourismus.

Höher, schneller, weiter ist die Devise im Netz für den, der in der Masse hervorstechen will. Es werden Gewaltmärsche gemacht, geklettert und über die schönsten Panoramasteige gespurtet: Barfuss, mit Wanderwagen, ohne Ausrüstung oder sogar rückwärts. Jeder so, wie er mag. Hauptsache Wandern.

Aber wer denkt dabei daran auch mal vor seiner Haustür anzufangen?

Die Autoren Ralph Kindel und Jochen Tack machen es in "Heimat erwandern" vor und haben den "ZollvereinSteig" geplant und als "grüne Entdeckungswanderung im Essener Norden" etabliert.

Neben dem Baldeneysteig und dem Kettwiger Panoramasteig ist der Zollvereinsteig bereits der dritte Rundwanderweg in Essen, der Metropole an der Ruhr. Die Stadt Essen sieht sich gerne als "heimliche Hauptstadt des Ruhrgebiets" und das Ruhrgebiet selber ist berühmt und berüchtigt als "Kohlenpott". Wir Ruhris kennen und lieben es, wenn uns zu Ohren kommt, "wie grün dat hier alles doch so ist". Die "Die Stadt der Städte" also als neues Wanderareal in Deutschland? Der Essener Süden glänzt durch Naturidylle pur. Es ist grün (!), sehr bergig und durchaus anspruchsvoll zu begehen. Hier kann so mancher Wanderfreund für seine alpinen Touren trainieren. Der Zollvereinsteig hingegen verspricht eine "Erlebniswanderung im Essener Norden", der die einstige Herzkammer der Stadt aus Kohle, Stahl und Eisen war. Wie gelingt es Kindel und Tack hier einen Wandersteig zu planen und zu realisieren?

Das UNESCO Weltkulturerbe Zeche Zollverein mit seiner Strahlkraft ist Grund genug für einen Spaziergang. Hier setzen die Autoren den Startpunkt der Tour und führen auf überraschenden Wegen über das weitläufige Areal der "schönsten Zeche Deutschlands", zeigen und erklären die kulturhistorischen Besonderheiten und beleuchten ebenfalls die Kunst und die Architektur entlang des Pfades. 

In dem vorliegendem Buch, welches mir der Klartext-Verlag zu Rezensionszwecken freundlicherweise zu Verfügung gestellt hat, beschreiten die Autoren Ralph Kindel und Jochen Tack Neuland, indem der urbane Raum auf eine "wanderbare" Art erlebbar gemacht und somit zu  weitaus mehr als ein (Stadt-) Spaziergang oder /-führung wird. 

Die detaillierten und sehr gut recherchierten Informationen "Am Weg" machen das Buch zu dem, was es ist: Es ist nicht einfach ein Wanderführer oder ein Tourenguide. "Heimat erwandern" ist ein Freizeitführer, der mehr bietet, als einfach den Weg zu beschreiben und lässt den Leser viel über die Region und vor allem über den Weg erfahren, sodass erst diese Hintergrundinformationen die eigentliche Strecke von knapp 27 km (!) ausmachen, denn der Wanderer weiß zu jederzeit von der (damaligen) Bedeutung des Weges, auf dem man sich gerade befindet. Dadurch wird es zu viel mehr, als "nur" zu  einem Wanderweg. Der Zollvereinsteig ist Herzensangelegenheit, ist Leidenschaft und das macht die ungebremste Beliebtheit auch aus! Insbesondere die Essener fühlen sich der Stadt und ihrer Geschichte zutiefst verbunden und haben eine hohe Identifikation mit der Region. - Das macht den Ruhrbewohner auch aus und so führen uns Kindel und Tack durch den industriell geprägten Stadtteil von einst und öffnen uns die Augen inmitten einer grünen Naturlandschaft von Parks, Feldern und Wäldern und zeigen uns auf 86 Metern über Meeresspiegel einen unbezahlbaren 360° Rundumblick über den "Kohlenpott". (Und wat sehen wa? - GRÜN!!)

Anders als der Baldeneysteig und der Kettwiger Panoramasteig begeistert der Zollvereinsteig vor allem und gerade durch den spannenden Mix aus Industriebrachen und einer Landschaft, in der sich die Natur den Lebensraum zurückerobert hat und so führt die abwechslungsreiche Wegstrecke an einer Vielzahl von Erlebbaren vorbei und hinterlassen nachhaltige Wandermomente inmitten eines völlig untypischen Gebiets der Naherholung. 

Urban Hiking muss man wollen, es zulassen und vor allem sich drauf einlassen. Eine intensivere und hintergründige Auseinandersetzung mit dem Weg und der Region führen zu einem wanderbaren Mehrerlebnis für ein abwechslungsreiches und langanhaltendes Wandererlebnis. Ruhe und Erholung im Ballungsraum Ruhrgebiet. Wer hätte das gedacht?